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Reden und Texte
 

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Jahrestag der Kristallnacht
Dresden, 9. November 2011
Botschafter Philip D. Murphy

Bürgermeister Hilbert,
Frau Dr. Goldenbogen,
Rabbi Almekias-Siegl,
liebe Mitglieder der jüdischen Gemeinde in Dresden und Sachsen,

ich danke der Stadt Dresden und dem Land Sachsen dafür, dass Sie die US-Botschaft und unser Konsulat in Leipzig zu dieser Zeremonie eingeladen haben. Für Generalkonsul Mark Powell und mich ist es eine große Ehre, zusammen mit Ihnen der Nacht des Terrors – der Reichspogromnacht – zu gedenken.

In der Nacht des 9. Novembers 1938 zerriss in ganz Deutschland der Klang von zersplitterndem Glas die Stille der Nacht. Überall wurden Synagogen und jüdische Einrichtungen durch Feuer zerstört. Die SA, die Sturmabteilung der Nationalsozialisten, hatte am Ende dieser Pogromnacht etwa 7.000 jüdische Geschäfte zerstört. Unter den 900 Synagogen, die angezündet wurden, war auch die historische Dresdner Synagoge, die von Gottfried Semper erbaut worden war. 91 Menschen fanden in dieser Nacht den Tod und 30.000 jüdische Männer wurden in Konzentrationslager deportiert. Diese Nacht war der finstere Höhepunkt einer Vielzahl antisemitischer Maßnahmen, die die Nationalsozialisten ergriffen hatten. Von diesem Zeitpunkt an war die jüdische Bevölkerung nicht mehr länger Teil des öffentlichen Lebens in Deutschland. Heute gedenken wir der entsetzlichen Ereignisse dieser Nacht und der Schrecken des Holocausts, der darauf folgte. Diese Erinnerungen dürfen niemals verblassen. Wir dürfen die Lektionen, die wir schmerzlich lernen mussten, niemals vergessen.

Heute erinnern wir uns aber auch an die Geschehnisse vom 9. November 1989. Dieser Tag war der Höhepunkt einer anderen Reihe von Ereignissen, die Deutschland und die Welt verändert haben.
Die Mauer, die Ost und West teilte, wurde von den mutigen Bürgern der DDR niedergerissen. Deutschland befindet sich nun im Herzen eines freien, friedlichen, erfolgreichen und geeinten Europas. Aber wie wir alle wissen, hätte die Geschichte auch anders verlaufen können. Und in einigen Teilen der Welt tat sie das auch.

Daher müssen wir uns jedes Jahr am 9. November wieder an den Aufruf zum Handeln erinnern, der mit diesen beiden Jahrestagen, die wir heute feierlich begehen, einhergeht. Dieser Aufruf zum Handeln erinnert uns daran, dass wir bei Verbrechen, die mit unserem Gewissen unvereinbar sind, nicht zuschauen und hoffen dürfen, dass sich alles von selbst regeln wird. Wir können die Welt verbessern, aber nur, wenn wir alle es uns zur Aufgabe machen, Brücken zwischen verschiedenen Glaubensrichtungen zu bauen und gegen Hass, Intoleranz und Ungerechtigkeit einzutreten. Jeder von uns hat die Pflicht, seinen Teil dazu beizutragen.

Wir müssen sicherstellen, dass die junge Generation niemals vergisst. Die Lehren der Vergangenheit müssen in der Schule und auch im Elternhaus vermittelt werden. Im vergangenen Monat haben meine Frau Tammy und ich den jüdischen Friedhof in Berlin-Weissensee besucht. Dieser Besuch war für uns sehr bewegend und hat uns die Geschichte der jüdischen Bevölkerung in Deutschland näher gebracht – und wir haben vor, mit unseren vier Kindern dorthin zurückzukehren, damit auch sie diese Erfahrung machen.

Aber ebenso wichtig wie die Vergangenheit ist die Zukunft. Die jüdische Gemeinde in Deutschland wächst und gewinnt an Einfluss. Deutsche Juden sind aus dem Schatten hervorgetreten und haben wieder in Deutschland Fuß gefasst. Sie leisten ihren Beitrag, um zu gewährleisten, dass die Ereignisse, derer wir heute gedenken, nicht mit der Zeit in Vergessenheit geraten. Dies erfordert Mut. Ihr Engagement hat es möglich gemacht, dass wir heute einen weiteren Jahrestag feierlich begehen können. Vor zehn Jahren wurde am ehemaligen Standort der Semper-Synagoge eine neue Synagoge eröffnet. Ich möchte der jüdischen Gemeinde in Dresden und Sachsen sowie ihren Freunden und Nachbarn zu diesem Meilenstein gratulieren.

Wir alle dürfen niemals vergessen.