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Botschafter Murphy: Reden und Texte

Blödmänner (Offener Brief, „Berliner Morgenpost", 8. September 2011)

Überall gibt es Blödmänner.

Blödmänner gibt es dort, wo ich herkomme, in den Vereinigten Staaten. Und auch hier in Berlin, im Herzen Europas, gibt es Blödmänner.

Ein Blödmann ist jemand, der Menschen, die anders sprechen, sich anders kleiden, mit einer anderen Hautfarbe oder Augenform geboren wurden, keinen Respekt entgegenbringt.

Letztendlich sind Blödmänner also Menschen, die so wenig Charakter und so wenig Selbstachtung haben, dass sie meinen, andere demütigen und einschüchtern zu müssen, damit sie sich nicht selbst klein, ängstlich und unbedeutend fühlen. Wir müssen ihnen helfen, ihre Denkweise zu ändern und sich selbst anders wahrzunehmen. Aber zuerst müssen wir uns ihnen entgegenstellen. Denn ihre Worte und Taten können Schaden anrichten.

Daran wurde ich kürzlich auf schmerzhafte Art und Weise erinnert.

Einige Mitarbeiter der US-Botschaft sahen sich am 26. August mit Freunden das Spiel von Hertha BSC an. Sie haben das Spiel genossen, hatten viel Spaß und haben die Heimmannschaft angefeuert. In der Gruppe war ein Afroamerikaner. Nach dem Spiel, als die Freunde das Stadion verließen, kamen zwei Männer auf sie zu und pöbelten unseren Kollegen an. Einer rempelte ihn an, der andere begoss ihn mit Bier und beschimpfte ihn mit rassistischen Beleidigungen. Unsere Mitarbeiter versuchten, die Gemüter zu beruhigen, aber es wurde sehr schnell klar, dass die beiden Männer und einige ihrer Freunde, die sich dem Schauplatz näherten, auf Gewalt aus waren. Die Polizei war schnell vor Ort, stellte die Rowdys, und die Amerikaner konnten weitergehen. Es kam nicht zu einer Schlägerei, es floss kein Blut, aber es hätte auch alles ganz anders ausgehen können.

Darüber darf man nicht hinwegsehen. Unabhängig davon, wo so etwas passiert, ob in den Vereinigten Staaten, in Deutschland oder anderswo auf der Welt: Wir müssen uns dem entgegenstellen und deutlich sagen, dass es falsch ist.

In diesen Tagen wird Dr. Martin Luther King auf der National Mall in Washington ein Denkmal gesetzt. Dort hatte der bekannte Freiheitskämpfer vor 50 Jahren, auf dem Höhepunkt der Bürgerrechtsbewegung in meinem Heimatland, vor Hunderttausenden von Menschen gesprochen. Dr. King ist für uns alle noch immer ein großes Vorbild. Er sah Dinge, die falsch waren, und er konnte und wollte dazu nicht schweigen. Er hatte den Mut zu handeln.

Die Wahl von Barack Obama zum Präsidenten der Vereinigten Staaten war für viele Amerikaner, unabhängig von politischen Ansichten, ein Triumph über unsere eigene Geschichte, ein Sieg über den Hass vieler Generationen von Blödmännern in unserem Land. Dieser Wahlerfolg bleibt ein Meilenstein, ist aber noch lange nicht das Ende der Geschichte. Es gibt noch immer Rassismus in den Vereinigten Staaten. Es gibt noch immer die Blödmänner, die angreifen, was sie für ‚anders‘ halten. Wir Amerikaner müssen uns weiterhin dafür einsetzen, dass solche Dinge nicht mehr geschehen. Dasselbe gilt für Deutschland. Weder die amerikanische noch die deutsche Gesellschaft darf wegschauen und hoffen, dass Intoleranz und Rassismus wie von Zauberhand verschwinden. Wir müssen handeln.

Rassismus gehört nicht der Vergangenheit an, weder in Deutschland noch in den Vereinigten Staaten. Er bleibt ein Problem unserer Zeit. Wir müssen Rassismus entschieden entgegentreten, wie und wo auch immer er in Erscheinung tritt – auf einem Feldweg in den Vereinigten Staaten, auf dem Gehweg vor dem Olympiastadion, überall dort auf der Welt, wo Blödmänner denken, dass sie Menschen verletzen und damit einfach davonkommen können.