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4. Dezember 2008, von Michaela Braunreiter

Kunst barrierefrei vermitteln, aber wie?

Über Zugänge zur Zugänglichkeit der Museumslandschaft

Am 21. November 2008 fand in der Österreichischen Galerie Belvedere eine Veranstaltung zur barrierefreien Kunst- und Kulturvermittlung in Museen und Ausstellungen statt. Titel: “Wie soll das denn bitte gehen?” Gekommen waren knapp 20 Kulturvermittlerinnen (ausschließlich Frauen) aus renommierten Museen in Wien, Niederösterreich und Oberösterreich, wie etwa dem Wien Museum, dem Stift Klosterneuburg, der Sammlung Essl und dem Belvedere selbst. Als ReferentInnen waren Manfred Fischer, Jo Spelbrink und meine Wenigkeit geladen, um einen Einblick in die Situation behinderter Menschen im Museumsbetrieb zu geben.

Was war

“Kultur wird barrierefrei” lautete der mutige Titel einer Impulsveranstaltung, mit der wir von MAIN vor rund 2 ½ Jahren in Österreich ein Stück Pionierarbeit leisteten und dem Kulturbetrieb konkrete Anstöße gaben. Großes Interesse, positive Resonanz und einige Initiativen in Richtung Barrierefreiheit waren der Erfolg. Jetzt setzte der Verband der KulturvermittlerInnen gemeinsam mit dem Verein “Konsensio kultur.barrierefrei.gestalten” mit dem aktuellen Event eine neue Initiative. “Dieser Tag soll ein Startschuss für mehr Barrierefreiheit sein.”, erklärt Brigitte Hauptner, die Mitbegründerin von Konsensio und neue Präsidentin des Verbandes der KulturvermittlerInnen.

Wer ist die so genannte Zielgruppe der “Menschen mit Behinderungen”? Gehen diese Leute überhaupt ins Museum und wie erleben Menschen mit unterschiedlichen Körper- und Sinnesbehinderungen Ausstellungsangebote bzw. wie können sie diese nutzen? Mit diesen Fragen haben wir uns in Impulsreferaten und Diskussionen auseinandergesetzt. Ein Workshop am Ende des Tages gab den Teilnehmenden dann auch noch die Gelegenheit, Barrieren in einer aktuellen Ausstellung zu entdecken und sich selbst an einer Bildbeschreibung für blinde und sehbehinderte AusstellungsbesucherInnen zu versuchen.

Was ist

Diese Frage habe ich mir gestellt, als ich mich für das angefragte Impulsreferat vorbereitet habe. Zugängliche Kulturangebote sind die Ausnahme und nicht die Regel. Das ist wie vor 2 ½ Jahren. Doch dass Menschen mit Behinderungen potenzielle Besucherinnen und Besucher sind, spricht sich zunehmend herum. So haben sich die Informationsangebote zum Thema Barrierefreiheit auf der Website des Belvederes und des Wien Museums verbessert. Das sind nur zwei positive Beispiele, die mir auf meiner Recherche begegnet sind. Um die Barrierefreiheit der musealen Websites selbst ist es dagegen nach wie vor recht schlecht bestellt. Da kann ich leider keine Glanzlichter nennen. Falls mir da etwas entgangen sein sollte, bitte ich um entsprechende Hinweise. Infos, wie es in den einzelnen Museen um die konkreten barrierearmen Angebote steht, kann ich derzeit leider noch nicht bieten.

Was bleibt

Bei dieser Veranstaltung wurde mir wieder einmal bewusst, wie wichtig es ist, Barrierefreiheit in einem inklusiven Sinne zu denken. Wir haben uns in den unterschiedlichen Impulsreferaten mit den unterschiedlichen Bedürfnissen von Menschen mit diversen Behinderungen beschäftigt, also welche Angebote brauchen etwa blinde oder gehörlose oder mobilitätsbehinderte Menschen in Museen, Galerien, Austellungen. Diese Annäherung hat ihre Berechtigung, weil nichtbehinderte Personen natürlich auch verstehen sollen, wie behinderte MuseumsbesucherInnen Kulturangebote erleben. Es ist aber auch gefährlich, denn die passende Schublade mit dem dafür gemachten Angebot für jede Art von Behinderung, das ist für mich noch nicht das angepeilte “Museum für alle”. Viel mehr scheint es mir erstrebenswert, die BesucherInnen als Individuen mit unterschiedlichen Bedürfnissen, Wahrnehmungsmöglichkeiten und Erfahrungen zu begreifen und im Sinne des inklusiven Designs Ausstellungen zu konzipieren.

Die Basis dafür ist Normalität im Umgang mit behinderten BesucherInnen. So stellte eine Veranstaltungsteilnehmerin fest: “Wir dürfen keine Angst haben, wenn wir Vermittlungsangebote für Menschen mit Behinderungen setzen und müssen den Gästen im Museum mit Normalität begegnen. Dann gibt es kaum Probleme.”

Warum mir der inklusive Zugang zu Kulturangeboten so wichtig ist, liegt am Mehrwert, der für möglichst viele Menschen geschaffen werden soll. Dieser Mehrwert bringt Menschen mit Behinderungen die Chance auf ein autonomes Kulturerlebnis. Das Bild, dass behinderte Menschen nur in Gruppen mit Begleitung ins Museum gehen, sollte nicht mehr das sein, das in den Köpfen präsent ist. Ist es aber noch. Das stand auch beim Workshop zur Diskussion. Klar, Spezialangebote, wie beispielsweise Touch Tours für Gruppen von blinden BesucherInnen oder Führungen in Gebärdensprache für gehörlose BesucherInnen, sind natürlich auch gefragt. Sie sollten aber erstens regelmäßig stattfinden, was in vielen Museen nicht der Fall ist, und zweitens, so wie bei anderen Gruppen von BesucherInnen, auch auf deren Interessen zugeschnitten werden. Es bleibt also noch viel zu tun.

Was kommt

Hoffentlich weiterhin viel Interesse auf Seiten der KulturvermittlerInnen und vermehrt auch den Kultureinrichtungen und natürlich weitere Initiativen in Richtung Barrierefreiheit. Der Wunsch der Teilnehmenden danach wurde artikuliert.

Was fehlt

Barrierefreiheit als strukturelles Element, das von Anfang an in der Planung und Konzeption mitgedacht wird. Das würde die Umsetzung erleichtern und ein neues Kulturerlebnis für alle schaffen. Das ist nichts Neues, muss aber immer wieder gesagt werden.

3 Reaktionen zu “Kunst barrierefrei vermitteln, aber wie?”

  1. Johannes

    Liebe Frau Braunreiter,
    weil Sie schreiben “ausschließlich Frauen”… Ich kann dem Artikel nicht entnehmen, ob das so gewünscht war, aber wir haben etwa gar nichts gewusst von der Veranstaltung, sie hätte uns aber in jedem Fall sehr interessiert. Das Thema sollte doch auch wohl nicht nur den ganz großen Insitutionen vorbehalten sein? Die Terminkollision mit dem A-Tag ist aber vielleicht auch nicht als überglücklich zu bezeichnen.
    Und leise angemerkt zu Ihrer Feststellung bezüglich der musealen Websites sei, dass ojm.at doch schon längere Zeit recht barrierearm ist …
    Mit besten Grüßen johannes reiss

  2. Michaela Braunreiter

    Lieber Johannes,
    tut mir leid, dass Sie nichts von der Veranstaltung gewusst haben. Männliche Teilnehmer wären herzlich willkommen gewesen. Organisiert und beworben wurde die Veranstaltung vom Verband der KulturvermittlerInnen. Ich haben die Ankündigung bei uns auf mainweb.at überlegt und mich dann dagegen entschieden, weil ich dachte, dass die Zielgruppe der Kulturvermittlerinnen sicher informiert ist, und bei uns nicht zu den StammleserInnen gehört. Das war sichtlich ein Fehler. Ich hätte mich über Ihre Teilnahme sehr gefreut und natürlich auch die anderer Personen, die sich für barreirefreie Kulturvermittlung interessieren.

    Dass die beiden Events zusammengefallen sind ist wirklich schade. So etwas kann aber natürlich in einer Fülle von Terminen passieren. Anmerken möchte ich noch, dass ich die Veranstaltung nicht organisiert habe, sondern als Referentin tätig war.

    Dass ich die Website des Jüdischen Museums wirklich vergessen habe tut mir sehr leid. Ich nenne Sie nämlich sehr oft als Positivbeispiel für eine gelungene Umsetzung von Barrierefreiheit und weil das anscheinend schon so in meinem Bewusstsein gespeichert ist und es die Seite schon länger in dieser Form gibt, ist mir dieses Missgeschick passiert. Sorry.

    Ich hoffe überhaupt, dass mein Beitrag nicht als gänzlich negatives Stagement angekommen ist. Denn diese Veranstaltung war wieder ein Schritt in Richtung Zugänglichkeit für alle. Und das ist erfreulich.

  3. Brigitte Hauptner

    Liebe Michaela,
    vielen Dank für Deinen Beitrag zu unserem Workshop. Wir haben uns auch sehr über das mehrheitlich positive Feedback der TeilnehmerInnen gefreut. Dabei hat sich nämlich der Wunsch nach Folgeveranstaltungen, die sich eingehender mit den unterschiedlichen “Zielgruppen” von Menschen mit Behinderung beschäftigen, herausgestellt. Wir wollen diesem Wunsch gerne nachkommen. In diesem Zusammenhang würden wir natürlich auch dem Thema “Barrierefreie Websites von Kulturinstitutionen” eine eigene Veranstaltung widmen. Die Website des OJM Eisenstadt war uns im Belvedere auch ein großes Vorbild, das wir leider absolut noch nicht erreicht haben. Aber wir werden das schon noch hinkriegen :) .
    Sehr wichtig war mir persönlich auch noch Dein Satz über die passende Schublade für jede Art von Behinderung. Dieser Gefahr des mit einem passenden Angebot für MmB für “Erledigthalten des Problems” anstelle eines permanenten Mitdenkens sind wir natürlich alle sehr ausgesetzt.
    Brigtte Hauptner,
    Belvedere Kunstvermittlung + konsensio

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